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Jul 26 2024

Mittelschule Kappeln 1952-1959 (2)

Meine Erinnerungen an die Mittelschule Kappeln
~ 1954/55 ~

Von Bernd Koch

7. Klasse (1954/55)

In der 7. Klasse war der Bungalow unsere Heimat. Die Lehrer blieben, neu hinzu kamen Neubacher und auch ein gewisser Souchier, der sehr an Geschichte interessiert war und mit uns auch Aktuelles durchnahm. Er blieb aber nicht lange an der Schule, weil er eine Stelle auf Hahnöfersand in der Elbe im Jugendstrafvollzug annahm. Wir haben es sehr bedauert. Er hat uns die Gründe erklärt und wollte wohl etwas bewirken.

Es gab auch eine Klassenfahrt zur Hallig Hooge mit Unterkunft im Heuschober. Ich hatte mich so darauf gefreut. Ich war der Einzige, der nicht mitfahren durfte. Es gab weiß Gott andere Kinder, wo noch weniger Geld im Haushalt war als bei uns. Ich war geschockt und habe mich noch mehr abgeseilt von zu Hause. Ich hatte noch einen Freund, der aus Solidarität ebenfalls nicht mitgefahren war. Wir wurden in die Parallelklasse abkommandiert, was den Vorteil hatte, noch andere Schüler kennenzulernen. Es waren die Auswärtigen, also die Fahrschüler aus den Kreisen Eckernförde, Schleswig und Flensburg.

Es wurde mir dann angeboten, in den Sommerferien nach Arnis zu meiner Großmutter zu fahren. Man packte mir fünf Knoblauchwürste ein und damit war wohl die Verpflegungsbeteiligung abgedeckt. Der Fußweg nach Arnis war wunderschön und führte auf meiner Geheimstrecke durch Felder und Wiesen abseits der normalen Route.

Wir lebten da zu sechst in einem Haus, meine Tante mit ihren zwei Kindern, meine Oma und ich. Meine Oma hatte einen großen Blumengarten und hinter dem Haus noch einen großen Obst- und Gemüsegarten. Es gab Äpfel, Birnen, Johannisbeeren und Stachelbeeren. Ich konnte jedenfalls etwas helfen. Es war aber auch sonst viel los in Arnis: die Schlei, Ruderbootfahren, Segeln, mit Bekannten auf dem Sportplatz „Räuber und Gendarm“ spielen. Im Sommer waren bei den Großeltern auch viele Kinder aus Hamburg zu Besuch, also wieder neue Bekanntschaften. Habe die Eltern und meinen Bruder nicht vermisst. Bis zum 9. Schuljahr war ich insgesamt vier Sommer in Arnis.

Wir hatten eine junge Musiklehrerin, die große Probleme im Unterricht hatte. Da war immer Stimmung und sie benötigte Hilfe. Wer war dazu besser geeignet als Kirchmayr. Er erschien vor dem Musikunterricht in der Klasse und erklärte den Verhaltenskodex. Hat sehr geholfen. Wir haben bei dieser Lehrerin nicht nur gesungen, was mir sehr gut gefiel, übrigens auch später noch durch Mitwirken im Chorsingen und bei der Arbeit.

Wir bekamen von dieser Lehrerin als Hausaufgabe das Zeichnen von Violinschlüsseln. Es sollten wohl zehn Stück in einer Reihe sein. Dazu hatte ich keine Lust und wohl auch keine Begabung. Ich malte nur drei und dann begann der Ärger. Ich sollte dann hundert Schlüssel bis zur nächsten Stunde machen. Tat ich natürlich nicht. Andere Mitschüler hatten es auch nicht ordentlich gemacht. Nun kam der Auftritt von Kirchmayr, großes Geschrei und Getobe. Ich war als Übeltäter schnell ausgemacht und wurde dazu verurteilt, mich bei Rektor Schnauer vorzustellen. Auf die Frage, was ich dann dort sollte, kam die Antwort, ich würde eine große Abreibung bekommen. Davor hatte ich aus Erfahrung keine Angst mehr.

Das Büro von Rektor Schnauer lag, durch einen Flur getrennt, neben unserem Klassenzimmer. Ich klopfte an die Tür und wurde von der Sekretärin reingelassen. „Herr Schnauer ist im Moment nicht da, kannst dich ja auf den Stuhl setzen und warten.“ Ein bisschen Bammel hatte ich schon. Bald erschien Herr Schnauer und fragte, was ich denn wolle. Ich habe ihm dann den Sachverhalt geschildert. Er fand die Strafe mit den Violinschlüsseln auch überzogen, meinte aber, man sollte sich als Schüler die Mühe geben, zumindest zu akzeptieren, dass auch Lehrer mal Fehler machen. Für den Rest der Stunde gab er mir frei. Ich sollte auf dem Schulhof etwas Luft holen. Er würde auch mit der Lehrerin und mit Kirchmayr sprechen. Es war wohl das erste Mal, dass ich großen Respekt vor einem Lehrer hatte.

An dieser Stelle folgt jetzt eigentlich die „Kürbisbanden-Episode“.

In der 7. Klasse kam als neues Fach Physik mit Lehrer Behrent hinzu. Wir kannten ihn als Vertretung, als Bewohner einer Lehrerwohnung und als Vater eines Mitschülers. Sie kamen aus der Holsteinischen Schweiz nach Kappeln. Ich hatte ja schon geschrieben, dass der normale Physikunterricht im Dachgeschoss der Grundschule stattfand. Hierhin kamen auch die Schüler der 9. und 10. Klasse, die im neuen Schulgebäude an der Hindenburgstraße gelandet waren. Unser Physikunterricht fand in unserer Klasse statt.

Die gewünschten Utensilien mussten dann von dem Physikraum in den Klassenraum gebracht werden. Ich habe mich mit zwei anderen Kameraden als Spediteur gemeldet. Ich hatte ja einen guten Kern! Wir gingen also zum Gebäude, wo schon Behrent auf uns wartete. Es sollten die verschiedenen Thermometer besprochen werden, also ab damit. Jeder bekam einige in den Arm. Es war noch ein U-förmiges Thermometer üblich, welches an beiden Enden offen war. Behrent reichte es mir rüber und ich stellte mich etwas dösig an und hielt es so blöd, dass das Quecksilber auslief und auf den Holzfußboden sprang. Ich kann heute noch vor mir sehen, wie die Kugeln die sich gebildet hatten über den Boden liefen.

Ganz gegen die Erwartung blieb Behrent ruhig und erklärte uns, was es mit dem Quecksilber auf sich hatte. Außerdem nahm er die Schuld auf sich. Völlig ungewöhnlich: „Jetzt wird dieser Raum erstmal drei Wochen gesperrt und die oberen Klassen brauchen in den Pausen nicht mehr zu wandern.“ Mir tat es für den Lehrer leid. Vor allen Dingen, weil er sich atypisch verhalten hat. Ich war später mit seinem Sohn befreundet und wir haben über die Sache mit dem Vater herzhaft gelacht. Für ihn hatte es alles ein leichtes Nachspiel. Ich kann auch nicht behaupten, dass ich mich als Held fühlte. Ich schätze mal, dass die Zeit ohne Physik in der Schule wohl einen logistischen Aufwand erforderte, weil ja auch ein Raum fehlte.

Bald endete die Zeit im Bungalow und wir nahmen auch Abschied von unserer Klassenlehrerin. Sie blieb uns als Verfechterin der Vokabeln in Erinnerung. Wenn eine Vokabel falsch wiedergegeben wurde, kommentierte sie es gerne mit dem Satz: „Seit heute Morgen?“ Dieser Satz fand unsere Aufmerksamkeit. Wenn wir feststellten, dass eine falsche Antwort kam, riefen wir im Chor: „Seit heute Morgen?“ Ob sie die Äußerung gemacht hatte, um mehr aus uns herauszuholen?

6 Kommentare

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  1. admin

    Kleine Bemerkung am Rande: Bei der Bearbeitung von Bernds Script habe ich alle Lehrernamen auf ihre tatsächliche Schreibweise geprüft. Herrmann und Helene Behrent, wohnhaft Reeperbahn, schrieben sich tatsächlich nur mit einem „t“ am Ende.

    1. Konrad Reinhardt

      Stimmt, habe noch mal in der letzten Ehemaligenliste nachgesehen.

  2. Heino Küster

    Tolle Fortsetzung, Bernd, zumal mir die Lehrkräfte zum Teil auch bekannt waren. Meine Schwester war in der Mittelschule und hat oft berichtet. Bei Neubacher half ich mal (als externer) im Schulchor aus, Behrend war wohl hauptsächlich ein Bienenlehrer (Hobby-Imker), sein Sohn Reiner war in meiner Klasse, und Kirchmayr war unser Privatlehrer für den Geigenunterricht. ;-)

    1. Bernd Koch

      Ich war mit seinem Sohn Herrmann Behrendt befreundet, mit der Imkerei hatte ich glatt vergessen. Bei Kirchmayr ist's schade, dass er sein umfangreiches Talent nicht voll auslebte, unter anderem hat er ja auch gemalt. Ansonsten war er wirklich eine Katastrophe. Tut mir leid dies zu schreiben. Neubacher mochte gerne Chorsingen ich habe oftmals mit ihm gegen die Mädchen im Kanon gegenangesungen

      1. Konrad Reinhardt

        Hallo Bernd,
        vor einigen Jahren saß ich neben Hermann Behrendt. Es war bei einem Ehemaligentreffen der Abi-Jahrgänge 1961 und 1962. Leider konnte ich mich mit ihm kaum unterhalten, weil wir zu viele im Raum waren und daher der Geräuschpegel zu hoch war für mein Gehör und mein Hörgerät. Ich verstand fast nichts mehr und habe die Veranstaltung vorzeitig verlassen. Bei einem Treffen vor zwei Jahren im gleichen Raum hatte ich keine Probleme. Es waren wesentlich weniger Personen im Raum und ich trug ein moderneres Hörgerät. – In unserer Ehemaligenliste steht auch Herman Behrendt, er war in mit mir zusammen zumindest 1952/53 in der Sexta. In unserer Liste sind nicht nur die Namen der Abiturienten, sondern die aller, die jemals in den vier Klassen waren, enthalten.

  3. Dietrich von Horn

    Bernd, wunderbar!

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